Die EMDR-Methode:
Behandlungsmethode der ersten Wahl

Insgesamt hat die Forschung im Bereich der EMDR-Methode zu wissenschaftlicher Anerkennung in allen wichtigen internationalen Leitlinien als eine Behandlungsmethode der ersten Wahl geführt. In Deutschland war die Anerkennung der EMDR-Methode durch den Wissenschaftlichen Beirat Psychotherapie 2006 für die Behandlung der PTBS bei Erwachsenen ein wichtiger Meilenstein.

Es scheint allerdings, dass die posttraumatische Belastungsstörung keineswegs die einzig mögliche Folge einer psychischen Traumatisierung ist und weitere Krankheitsbilder gut auf eine traumaspezifische Therapie ansprechen. Mittlerweile liegen mehrere wissenschaftliche Arbeiten zum Einsatz von EMDR bei anderen chronifizierten Traumafolgen vor. So konnten Studien zeigen, dass belastende Lebenserfahrungen körperliche und seelische Folgen haben, die gut auf eine Behandlung mit der EMDR- Methode ansprechen.

Es gibt mehrere Bereiche, in denen sich die Methode mittlerweile durch Fallserien und kontrollierte Studien als effektiv gezeigt hat.

Die acht Behandlungsphasen und das Standardprotokoll EMDR-Behandlungen können sehr kurz sein, dies hängt jedoch von der Komplexität des klinischen Problems und der dahinterliegenden Erinnerungsstruktur ab. F. Shapiro hat mit dem EMDR-Standardprotokoll einen behandlungstechnischen Rahmen geschaffen, der an die Komplexität der klinischen Probleme angepasst werden kann. So erfordert die Anwendung der EMDR-Methode in der Regel die Arbeit in den drei Dimensionen der Vergangenheit, der Gegenwart und der Zukunft. Im Bereich Vergangenheit werden die negativ gespeicherten Erinnerungen reprozessiert. In der Gegenwart sind erlebnisbezogene Alpträume, Verhaltenseinschränkungen und Auslösereize (Trigger) Ansatzpunkte für EMDR. Die Arbeit im Bereich Zukunft dient der Veränderung des Vermeidungsverhaltens und der Entwicklung von Verhaltensalternativen. Jeweils wird negativ gespeicherte, im Gehirn unverarbeitete Information zum Ziel der EMDR- Intervention.

In einer EMDR-Sitzung wird die belastende Erinnerung in der Bewertungsphase schonend aktiviert. Durch bilaterale Stimuli ( rechts- links-Augenbewegungen oder tappen mit den Händen) wird die Aufmerksamkeitsfokusierung im Wechsel zwischen Traumaerinnerung und Gegenwart hin und her gelenkt, dadurch kann eine Verarbeitung stattfinden. Hier spielen auch die technische Sicherheit und Erfahrung des Therapeuten, sowie die therapeutische Beziehung eine wichtige Rolle. Patienten bringen im unterschiedlichen Ausmaß Affekttoleranz, das heißt die Fähigkeiten sich selbst zu beruhigen und eine Ich-Stabilität, mit ein. Ebenso sind die Vorerfahrungen und Erwartungen von Patienten zu berücksichtigen. Das gemeinsame „in Worte kleiden“ eines Stresserlebens ist sehr wichtig, denn so kann es auch in der Phase der Traumakonfrontation zu einer guten Verarbeitung und Vermeidung einer gefühlsmäßigen Überflutung und Retraumatisierung kommen.

EMDR ist in der Struktur klar gegliedert und für Patienten und Therapeuten verständlich. Eine idealtypische Arbeit in der EMDR- Methode gliedert sich in acht Phasen:

  • Phase 1: Vorgeschichte und Behandlungsplanung
    Zuerst wird die Vorgeschichte erhoben. Gemeinsam mit dem Patienten wird ein Behandlungsplan erstellt, in dem die Durcharbeitung traumatischer Erinnerung oder anderer Symptome einen integralen Bestandteil darstellt. Die Erarbeitung der Indikation und der Ausschluss von Kontraindikationen sind hier zu leisten.
  • Phase 2: Vorbereitung des Patienten
    Den Patienten werden der Behandlungsplan und die Methode erklärt und, wenn nötig, durch Entspannungstechniken, erlernen innerer Selbststärkungen oder imaginative Verfahren, dazu verholfen, diese in Ihrem Alltag zu üben und dadurch in die Lage versetzt, sich mehr und mehr selbst zu stabilisieren.
  • Phase 3: Bewertung der Erinnerung
    In dieser Phase werden die zu bearbeitenden Erinnerungen in ihren sensorischen, kognitiven und affektiven Komponenten angesprochen. Dabei führt das gesteuerte und aufgesplittete Ansprechen von Teilnetzwerken zur Aktivierung der gesamten belastenden Erinnerung.
  • Phase 4: Durcharbeitung
    In dieser Phase wird der Patient gebeten, mit dem repräsentativen Erinnerungsbild, der sensorischen Komponente der Erinnerung und der erarbeiteten negativen Kognition in Kontakt zu treten. Gleichzeitig wird – meist über Augenbewegungen – eine bilaterale Stimulation angeboten. Von diesem Zeitpunkt an läuft der Prozess eigendynamisch und individuell. Typisch ist eine schnelle assoziative Folge wechselnder sensorischer Eindrücke, Affekte und Gedanken. Sie führt in der Regel zu einer spürbaren Entlastung des Patienten – auch wenn zwischenzeitlich intensivere Affekte anklingen können. Diese Art der Nachverarbeitung ist von großem Vorteil. Patienten erleben eine stufenweise Entlastung. Der Druck durch das mobilisierte Erinnerungsmaterial bleibt dadurch handhabbar. Diese Phase des EMDR-Prozesses kann wegen der oft assoziativen Weise der Verarbeitung kreativ sein. Der Therapeut muss daher flexibel reagieren und eigene Stabilität aufweisen, um dem Patienten hierbei das notwendige Maß an Unterstützung zu geben, ohne dabei dem eigenen Verarbeitungsprozess des Patienten im Wege zu stehen.
  • Phase 5: Verankerung
    Nachdem die Belastung durch die Erinnerung in Phase 4 ausreichend abgenommen hat, wird die in Phase 3 erarbeitete, oder eine durch den Verarbeitungsprozess verbesserte positive Kognition in Erinnerung gerufen und überprüft. Wie negative Empfindungen durch schnelle bilaterale Stimulation abgeschwächt werden, wird diese positive Kognition durch langsame bilaterale Stimulation verstärkt und scheint dadurch nachhaltiger aufgenommen zu werden.
  • Phase 6: Kцrper-Test
    Im Körper-Test wird nach eventuell noch vorhandenen sensorischen Körpererinnerungen gesucht und diese werden, wenn nötig, unter Hilfe bilateraler Stimuli rückgängig gemacht.
  • Phase 7: Abschluss
    Abschließend wird die für den Patienten durchaus eindrückliche Erfahrung nachbesprochen. Auch werden Interventionsregeln für die Zeit zwischen den Therapiesitzungen vereinbart. Dies ist sinnvoll, weil der in der EMDR-Sitzung angestoßene Prozess auch nach der Sitzung in abgeschwächter Form weiterlaufen kann. Assoziiertes Erinnerungsmaterial kann in Träumen, Gefühlen und Einfällen auftauchen. Der Patient sollte auf diese Möglichkeit vorbereitet werden.
  • Phase 8: Nachbefragung
    Diese letzte Phase findet am Beginn der nächsten Stunde statt und zeigt nicht selten, zum Beispiel durch Träume oder neu aufgetauchte Erinnerungssplitter, Ansätze für die Fortführung der Behandlung. Gegebenenfalls noch vorhandene Belastungsreste werden erneut reprozessiert oder es werden – sofern erforderlich – weitere Erinnerungen bearbeitet.
    Steigerung der Effektivität der Psychotherapie
    Die EMDR-Methode hat sich als eine effektive und zeitökonomische Behandlungsmethode für die posttraumatische Belastungsstörung etabliert. Über die PTBS hinaus gibt es Erfahrungen und erste Daten, die darauf hinweisen, dass die Methode zu einer Steigerung der Effektivität der Psychotherapie bei anderen durch belastende Erinnerungen (mit)verursachten Krankheitsbildern beitragen kann.